Ukrainischer Salesianer-Provinzial: Krieg trifft die Jugend schwer

Der Krieg in der Ukraine wirkt sich verheerend auf die Situation der Kinder und Jugendlichen in dem Land aus. "Viele dieser Altersgruppe sind bereits gestorben. Sie haben die geringsten Überlebenschancen und leiden am meisten unter den traumatischen Ereignissen, wie etwa die Bombardierungen und die Trennung von Familien.

Mit einem Schlag werden sie ihrer Zukunft beraubt", schilderte der Leiter der Ukraine-Provinz der Salesianer Don Boscos, P. Mykhaylo Chaban (siehe Bild), am Donnerstag bei einem Pressegespräch in Wien. Die Ukrainer seien vor dem Krieg ein "mutiges, lebensfrohes und aufblühendes Volk" gewesen, nun sei "von einem Moment auf den anderen alles zerstört".Chaban machte in Österreich Zwischenstation, nachdem er in den vergangenen Tagen 25 Kinder des von ihm geleiteten Waisenhauses im westukrainischen Lemberg in die Slowakei gebracht hatte, wo sie jetzt in Gastfamilien leben. Habe man in den ersten Kriegstagen noch nicht an eine Evakuierung gedacht, sei dann die Entscheidung, die Kinder außer Land zu bringen, "von einem Tag auf den anderen gefallen", berichtete der Ordensobere. Auch wenn es in der Stadt Lemberg selbst noch keine Bombardierung gegeben habe, hätten die vielen Sirenenalarme bei den Kindern psychologische Problemen ausgelöst. "Dennoch war bei der Ankunft in Bratislava ihre erste Frage: Wann können wir wieder nach Hause?", berichtete der Ordensmann, der nun selbst wieder in die Ukraine zurückkehrt.

Als schwierigste Herausforderung sah der Provinzobere der sich besonders für Jugendliche einsetzenden Ordensgemeinschaft, "den ukrainischen Kindern die Sicherheit und Hoffnung zu vermitteln, die sie bräuchten - dass der Krieg in wenigen Tagen wieder aufhört". Selbst wenn dieser Fall einträte, gäbe es derzeit "keine Hoffnung auf ein normales Leben".

Die Salesianer Don Boscos, die in der Ukraine mit ihren 40 Ordensmitgliedern außer in Lemberg bis vor dem Krieg auch in Kiew, Zhytomir, Dnipro und Odessa Pfarren, Jugendzentren, Studentenwohnhäuser und Lehrwerkstätten führten, seien derzeit alle in der Nothilfe aktiv. Dabei werde versucht, Jugendliche einzubinden, etwa in der Verteilung von Lebensmittelpaketen.Russland führe neben seinen Militärangriffen auch einen Propagandakrieg, um Panik zu verursachen, so P. Chabans Einschätzung der gegenwärtigen Lage.

Die Haltung der Bevölkerung sei jedoch ungebrochen: "95 Prozent wollen nicht mehr zurück in eine Sowjetunion, sondern in die EU." Die Entschiedenheit, mit der sich Ukrainer in den Dörfern und Städten völlig wehrlos vor die heranrückenden russischen Panzer stellten und Frieden forderten, beeindrucke ihn ebenso wie die große Bereitschaft junger Männer, dafür in den Krieg zu ziehen. Der Zusammenhalt im Land sei angesichts des gemeinsamen Feindes enorm, und zumindest moralisch seien die Ukrainer die Überlegenen. "Sie setzen sich für ihr Land ein, was sie stark macht. Doch wofür kämpfen die Russen?

"Die Schreckensvision einer dauerhaften russischen Besatzung würde auch die katholische Kirche schwer betreffen, befand der Salesianer-Provinzial. "Die Kirche würde es dann sehr schwer haben, wieder Fuß zu fassen und ihre Tätigkeiten fortzusetzen." Allzu präsent sind die Erinnerungen an die Kirchenverfolgungen der Sowjetzeit. Er selbst habe als Kind nicht einmal gewusst, dass der eigene Vater Priester war, schilderte der Ordensgeistliche, der der griechisch-katholischen Kirche angehört, in der Priester heiraten dürfen: "Man musste es mir verheimlichen, damit ich es niemandem in der Schule verraten kann.

"Hilfe auch aus Österreich

Dankbar zeigte sich P. Chaban für die große internationale Solidarität für die Ukraine. "In den vielen Jahren zuvor fühlten wir uns alleine gelassen, jetzt aber werden wir wahrgenommen." Auf politischer Ebene seinen die Sanktionen und auch die militärische Unterstützung gegen Russland wichtig, "damit Putin einsieht, dass der Krieg keine gute Sache ist". Ebenso dringend brauche die Ukraine jetzt aber auch "alles an Hilfe, was nur möglich ist" für die Versorgung der flüchtenden sowie der vor Ort verbleibenden Menschen.

"Wir brauchen die Hilfe, um zu überleben", betonte der Ordensmann. In der österreichischen Salesianer-Provinz ist eine Hilfskampagne für die Ukraine angelaufen, berichtete deren Leiter P. Siegfried Kettner bei dem Pressegespräch. Spenden für die Not- und Flüchtlingshilfe vor Ort würden über die Don Bosco Mission gesammelt, zudem beteiligt man sich von Österreich aus auch an der Ausstattung der ukrainischen Salesianer-Einrichtungen mit Satellitentelefonen - "für den Fall, dass es sonst keine Kommunikation mehr gibt".

Für Hilfsgüter - vor allem haltbare Lebensmittel, Medikamente, Verbandsmaterial, Hygieneprodukte, Kleidung und Decken - gibt es eine Sammelstelle im von den Salesianern geführten Gymnasium in Unterwaltersdorf (NÖ). "Die Solidarität ist groß", so der Provinzial.Angesichts der erfreulichen enormen Hilfsbereitschaft in der österreichischen Gesellschaft wie auch von politischer Seite gelte es Flüchtlinge aus anderen Weltregionen nicht zu vergessen, mahnte P. Kettner, dessen Orden ein Träger des "Don Bosco Sozialwerks" (früher: Don Bosco Flüchtlingswerk) ist. Wichtig sei die Hilfe für alle, um keine "Flüchtlinge zweiter oder dritter Klasse" zu schaffen.