Top-Klimaökonom Gernot Wagner referiert am Freitag in St. Marien-Kirche

Der renommierte Klimaexperte und Buchautor Gernot Wagner - er stammt aus der Pfarre Amstetten Herz Jesu - ist am Freitag bei den "Mostviertler Gesprächen" in der Amstettner Kulturkirche St. Marien zu Gast (19.30 Uhr). Der austro-amerikanische Ökonom, der seit 2019 an der Columbia Business School unterrichtet und forscht, spricht zum Thema "Klimaschutz - die Herausforderung. Chancen für Arbeitsplätze und Gesellschaft?"

Dazu eingeladen hat die Katholische ArbeitnehmerInnenbewegung (KAB) der Diözese St. Pölten. "Klima geht uns alle an", betonte der Vorsitzende der KAB St. Pölten, Franz Sedlmayer

Bei diesem Thema könne keiner sagen, dass er nicht betroffen ist. "Wir haben es in der Hand, als ChristInnen und GewerkschafterInnen sind wir verpflichtet, nicht nur an uns selbst zu denken, sondern daran, dass auch zukünftige Generationen einen lebenswerten Planeten Erde vorfinden können", unterstrich Sedlmayer. Die Veranstaltung am Freitag wird unter den jeweils gültigen Covid-19-Maßnahmen durchgeführt.

Die Energiewende koste vor allem Geld, hieß es in der Veranstaltungsankündigung. Denn es gehe um die Umstellung auf Wärmepumpen, Wärmedämmungen, Induktionsherden, Solaranlagen, Windrädern. Statt jahrein jahraus Geld für Öl und Gas auszugeben, gehe es folglich um die Investition im Vorhinein, die sich dann täglich bezahlt mache. Die Investition koste zwar Geld, biete aber auch enorme Chancen für die Wirtschaft und für Arbeitsplätze. Der Klimawandel scheine in den Köpfen der Menschen nach der Hitzewelle und den vielen Medienberichten angekommen sein

Gernot Wagner ist 1980 geboren. Er lehrt und forscht an der Columbia University sowie an der renommierten Harvard University in den USA. In Österreich und international ist er viel gefragter Interviewpartner. Seine Artikel sind in Zeitungen und Magazinen weltweit erschienen. Der Wissenschafter mit Amstettner Wurzeln ist unter anderem Mitautor von "Klimaschock: Die extremen wirtschaftlichen Konsequenzen des Klimawandels, das 2015 für Aufsehen sorgte. Der Klimaexperte befasst sich auch mit Geoengineering, also dem bewussten Eingriff in die Naturabläufe. Wagners aktuelles Buch "STADT-LAND-KLIMA" erschien 2021 im Brandstätterverlag.

 

Interview mit Gernot Wagner

 

Auch wenn die Frage nach dem unsagbaren Leid der Menschen in der Ukraine in der Debatte Vorrang hat, fragen sich viele: Wird der Ukraine-Krieg zu einem Mehr an erneuerbaren Energie führen oder führt dieser dazu, dass noch mehr und rasch umweltschädliche Rohstoffe gefördert werden?Temporär wird es bestimmt zu höheren Emissionen kommen -- und das ist auch gut so. Also etwa mehr deutsche Kohle und mehr Flüssigerdgas, das über Ozeane nach Europa kommt, und weniger russisches Gas. Aber insgesamt gilt es natürlich die Energiewende anzukurbeln und weniger fossile Brennstoffe zu verbrennen. Öl und Gas ermöglichen Putins Krieg. Das Ziel muss natürlich sein kein Öl und Gas mehr zu verbrennen -- und nicht nur russisches Öl und Gas, sondern insgesamt.

Es soll nicht zu viel verraten werden: Aber welche Chancen und Herausforderungen ergeben sich durch den Klimaschutz für Arbeitsplätze?

Kurz: enorme. Schließlich kostet die Energiewende vor allem Geld, da es um die Umstellung auf -- das Installieren von -- Wärmepumpen, Wärmedämmungen, Induktionsherden, Solaranlagen, Windrädern, usw geht. Also anstatt jahrein jahraus Geld für Öl und Gas auszugeben geht es um die Investition im Vorhinein, die sich dann tagein tagaus bezahlt macht. Die Investition kostet Geld, sie bietet natürlich auch enorme Chancen für die Wirtschaft und für Arbeitsplätze.

Der Klimawandel scheint in den Köpfen der Menschen nach der Hitzewelle und den vielen Medienberichten angekommen sein. Auf was müssen wir uns in Zukunft einstellen?

Besser wird's leider nicht mehr. Die letzten paar Jahre mögen die heißesten überhaupt gewesen sein.  Sie waren auch die kühlsten des 21. Jahrhunderts.

Sie sprechen davon, dass nur „radikale wirtschaftspolitische Maßnahmen“ den Klimawandel stoppen können: auf welche Maßnahmen müssen wir uns einstellen?

Wie man jetzt so gerade wieder sieht, "radikal" ist relativ. Eine CO2-Steuer etwa verteuert Strom kaum, verglichen mit den mindestens 10-fachen Preis-Anstiegen verursacht durch Putins Krieg in der Ukraine. Und ja, es geht tatsächlich ums richtige Signal. Jetzt etwa ist wieder mal davon die Rede Sprit künstlich billig zu halten -- also mit direkten Subventionen pro Liter Benzin. Natürlich geht es darum, denen die Unterstützung brauchen eben diese zu gewähren. Aber doch nicht in dem jeder Liter künstlich verbilligt wird. Viel besser: jeder Haushalt bekommt den gleichen Scheck -- so etwa wie beim Klimabonus durch die CO2-Steuer. Die Ärmeren bekommen mehr zurück als sie bezahlen. Die Reichen, die größere Autos fahren und auch mehr Energie verbrauchen, bezahlen mehr. Und das Autofahren selbst wird nicht noch mehr künstlich subventioniert. Die die kleinere Autos fahren -- oder gar keines -- bekommen mehr.

Welche zumutbaren und kurzfristigen Maßnahmen fordern Sie von jedem Einzelnen von uns ein?

Ein Grad weniger beim Heizen bedeutet etwa 6% weniger Gasverbrauch. Direkter geht's nicht mehr. Das hat nichts mit Aufopferung und sonstigen Dingen zu tun. Das Grad merkt kaum jemand, und die Energiekosten sinken auch 6%. Nicht zuletzt bekommt auch Putin 6% weniger. Und natürlich wenn 1 Grad geht gehen 1,5 oder 2 auch.

Werden religiöse Autoritäten wie der Papst, Bischofskonferenzen oder andere Religionsvertreter in der Klimadebatte von Politik und Wissenschaft gehört und ernst genommen?

Moralischer Klartext ist tatsächlich wichtig. Jetzt befinden wir uns eben wieder in einer Situation wo es klarer nicht geht: eine europäische Hauptstadt wird eben bombardiert, während der Aggressor von Europa täglich knapp eine Milliarde Euro überwiesen bekommt. Das hätte sich längst aufhören müssen.

Machen Sie uns Mut: Können neue Technologien eine drohende Klimakatastrophe umkehren?

Sobald wir kein CO2 mehr in die Luft pumpen hört tatsächlich auch die globale Erderwärmung auf. Und ja, natürlich geht's um neue Technologien. Eine Wärmepumpe, ein Elektrofahrzeug, oder etwa ein Induktionsherd sind ja keine Schritte zurück. Die sind klare Schritte in eine bessere Zukunft.

 

Foto: https://gwagner.com