Der Besuch eines Heiligen in Eisenreichdornach

„Es war ein beeindruckender Besuch, wir waren sehr ergriffen!“ Es gibt wahrscheinlich keine Familie in der Diözese St. Pölten, die vom Besuch eines später Heiliggesprochenen berichten kann – möglicherweise trifft dies noch auf Begegnungen mit Papst Johannes Paul II. zu. Mit Bischof Óscar Romero kam eine der großen Lichtgestalten der katholischen Kirche in die Salesianer-Pfarre Amstetten Herz Jesu.

Er gilt als einer der prominentesten Verfechter der Befreiungstheologie, im Religionsunterricht im Diözesangebiet wurde sein Leben oftmals vorgestellt.

Der „Toni-Onkel“

Die Zeitzeugin Grete Brandsetter aus dem Ortsteil Eisenreichdornach fand damals gemachte Fotos und informierte Franz Wininger, langjähriger Pfarrmitarbeiter und pensionierter Religionslehrer, und Kaplan Franz Kniewasser von diesem Treffen rund um das Jahr 1970, wobei das Datum nicht mehr ganz klar ist. Die Nichte erzählt: „Mein Onkel Anton Zarl, der mich und meinen Gatten Friedrich 1962 traute, war Salesianerpater und ging nach El Salvador (Zentralamerika) in die Mission. Dort kümmerte er sich um Waisen- und Straßenkinder und um Jugendliche, die aus sehr armen Familien stammen.“ In der Parte heißt es: „Er wirkte mit großem Erfolg als Lehrer und Direktor an salesianischen Volksschulen. Sein unermüdlicher Arbeitseifer führte ihn auch nach Panama, wo er sich besonders der ärmeren Kinder annahm.“ Pater Anton kam 1900 zur Welt, 1930 trat er in den Salesianer-Orden ein, 1941 empfing er die Priesterweihe und 1968 starb er im im 37. Jahr seiner Ordensprofess. Begraben wurde „der Toni-Onkel“, wie ihn Grete Brandstetter liebevoll nennt, in der Salesianer-Gruft der Maria-Hilf-Kirche der salvatorianischen Hauptstadt San Salvador.

Most und Bauernjause

Bei einem Europa-Besuch wollte Oscar Romero unbedingt auch einen Abstecher in die Pfarre und zur Familie von Pater Anton machen. Die beiden wurden in El Salvador zu Freunden. Kurzfristig rief der Salesianerpater Friedrich Bauernfeind an und kündigte den Besuch bei den Brandstetters an. Das Treffen war im kleinen Rahmen, nur die benachbarte Familie Bierwipfel wurde mitinformiert und kam. Die Begegnung blieb „als sehr herzlich“ in Erinnerung. Damals war Oscar Romero bereits Bischof, er erhielt eine Mostviertler Bauernjause. Gut in Erinnerung ist allen noch, wie alle in der Stube knieten und einzeln gesegnet wurden. Natürlich gab es auch eine gewisse Anspannung. „Wir spürten, dass das eine besondere Persönlichkeit war“, erinnert sich Friedrich Brandstetter. Er hinterließ einen bleibenden Eindruck. Aber auch Óscar Romero zeigte sich erfreut über den Empfang. Bald darauf kam eine Karte, in der er sich für die herzliche Aufnahme bedankte.

Für viele ist Erzbischof Óscar Romero eine prägende Gestalt in der Kirche. Dieser kam 1917 zur Welt, empfing 1942 die Priesterweihe und wurde 1970 zum Bischof geweiht. Er galt als konservativ und hatte gute Kontakte zu den Militärs. Mit der Ermordung eines Freundes durch Todesschwadronen kam aber die „Bekehrung“ des Bischofs. Aufgrund weiterer Morde kam Romero zur Überzeugung: Die Kirche kann nicht neutral bleiben. Zunehmend wurde er zur Stimme der Armen und Entrechteten seines Heimatlandes. Zu Lebzeiten gab Romero den Menschen in El Salvador Hoffnung auf eine bessere Zukunft, er setzte sich ein für Menschenwürde und Gerechtigkeit. Am 24. März 1980 erschossen ihn bestellte Mörder während einer Messe in einer Kapelle. Der Mord entzündete in El Salvador einen Bürgerkrieg, der während 12 Jahren mehr als 75.000 Menschenleben forderte. Bereits bei Romeros Begräbnisfeier, an der etwa eine Million Menschen teilnahmen, gab es ein Massaker mit 40 Todesopfern. 2015 sprach Papst Franziskus Óscar Romero in San Salvador selig. Nur drei Jahre später, am 14. Oktober 2018, folgte in Rom die Heiligsprechung.

Bei Nichte Grete Brandstetter und ihrem Gatten Friedrich kamen da wieder viele Erinnerungen an den Besuch auf!