Vortrag über Christenverfolgung am 17.9. - Interview mit CSI-Generalsekretär Elmar Kuhn im Vorfeld

 "Wir machen uns ja überhaupt keine Vorstellung, was es mancherorts bedeutet, den christlichen Glauben offen zu bekennen"

Immer wieder hört man die Zahl von hundert Millionen verfolgten Christen – stimmt diese Zahl überhaupt?

 

Kuhn: Auf jeden Fall! Wobei manche Quellen von weit höheren Zahlen ausgingen. Unser Fokus liegt aber bei den Christen, die jeden Tag diskriminiert oder verfolgt werden und nicht nur potenziell. Die Zahl der 100 Millionen verfolgten Christen steigt eher noch. Das ist aber auch der Versuch, etwas in Zahlen auszudrücken, was in Wahrheit unvorstellbar ist. Alle drei Minuten wird ein Christ in unserer Welt wegen seines Glaubens ermordet – jedes Jahr mehr als 170.000 – und damit sind bis zu einer Million Familienangehörige direkt betroffen. Tendenz steigend!

 

Was versteht CSI unter „Verfolgung von Christen“?

 

Kuhn: In 172 Ländern der Welt gibt es eine strukturelle Diskriminierung. Christen bekommen keine Schulbildung oder wie etwa in Nigeria keinen Job – und das nur, weil sie einen christlichen Vornamen haben. Ägyptische Kopten haben traditionell beim Handwurzelknochen ein Kreuz eintätowiert - und das sieht man etwa beim Händeschütteln. Ergebnis: Viele werden beim Einkaufen und in Geschäften nicht bedient oder geschmäht. In Pakistan gibt es etliche Fälle, wo Christen beschuldigt werden, den Propheten Mohammed verleumdet zu haben. Meist sind das Intrigen bei Nachbarschaftskonflikten, die Muslime bekommen dann vor Gericht überwiegend Recht. Oder: Wöchentlich werden in Ägypten junge Christinnen (meist Schulkinder) entführt, um sie als Arbeitssklaven in den Sudan zu verschleppen, zwangsweise zu islamisieren und in Zwangsehen zu pressen. Die Polizei bleibt untätig.

 

Welche Länder sind besonders brutal gegenüber Christen?

 

Kuhn: Nordkorea führt den Weltverfolgungsindex an. Wer dort eine Bibel besitzt, gilt schon als Staatsfeind. Die Familien werden gleich mit in Sippenschaft genommen. Zig Tausende Christen leiden unter schlimmsten Bedingungen in Gulags. Saudi Arabien inhaftierte zu Weihnachten eine Gruppe äthiopischer Christen. Ihr „Verbrechen“: Sie feierten einen christlichen Gottesdienst – verborgen übrigens. Man versuchte sie zum Islam zu bekehren, nach ausländischen Interventionen (auch von CSI-Österreich) durften sie doch das Land verlassen. Oder das Urlaubsparadies Malediven: Dort ist es nicht erlaubt, Bibeln öffentlich zu zeigen. Ein Priester erzählte mir, seine Kirche in Nigeria wurde angezündet, aber wenigstens nicht, als die Gemeinde Gottesdienst feierte. Andere Gemeinden in Nigeria trifft es stärker: mitten im Gottesdienst werden Kirchen mit Bomben in die Luft gesprengt. Hunderte Tote sind jedes Jahr die Folge – mitten im friedlichen Gebet ermordet. In über 50 Ländern ist die Verfolgung Alltag, meist sind es islamische Länder, unter diesen 50 Ländern sind aber auch 15 nichtislamische. Wir machen uns ja überhaupt keine Vorstellung, was es mancherorts bedeutet, den christlichen Glauben offen zu bekennen.

 

Die besonders strenge Form des Islam, die wahhabitische Richtung, pumpte in den letzten Jahren zig Öl-Milliarden in die weltweite Mission und in den Moscheenbau – auch im deutschsprachigen Raum. In radikalen Gemeinden wird den Menschen von klein auf inhaliert: Christen stinken.

 

Haben Sie das Gefühl, dass die Europäer der Christenverfolgung gleichgültig gegenüberstehen?

 

Kuhn: Zuerst einmal: Es hat sich in den letzten Jahren im Bewusstsein auch etwas zum Positiven gewandelt. So hat sich die Zahl der Teilnehmer der CSI-Schweigemärsche in Wien für verfolgte Christen in den letzten Jahren auf rund 2000 verdoppelt. Die deutsche Regierung spricht das Thema der verfolgten Christen gegenüber Politikern aus Unterdrückerstaaten immer wieder offensiv an. Und auch zum Beispiel hohe Repräsentanten wie Vizekanzler Michael Spindelegger sind die verfolgten Christen ein echtes Anliegen.

 

Wir haben aber in Europa eine Stufe erreicht, die Religion als Obszönität behandelt. Hier wird das Christentum nicht mehr ernstgenommen. Wie soll man sich da für Christen in anderen Ländern einsetzen?

 

Manche befürchten, dass auch hierzulande die Religionsfreiheit eingeschränkt wird?

 

Kuhn: Gläubige Ärzte haben in manchen Ländern folgende Wahl: Sie nehmen an einer Abtreibung aktiv teil oder sie werden gekündigt. Religionsfreiheit hin oder her. Oder: In Großbritannien werden christliche Adoptivkindvermittlungsstellen geschlossen, wenn sie nicht an homosexuelle Paare vermitteln. British Airways hat seinen Mitarbeitern verboten, Kreuze zu tragen. Zeichen anderer Religionen werden hingegen zugelassen. Aber auch bei uns werden Kirchen beschmiert und ich kenne heimische Pfarrer, die schon bedroht worden sind.

 

Diskriminierung heißt nicht gleich Verfolgung. Aber die Geschichte zeigt uns: Wer diskriminiert wird, wird auch einmal verfolgt. Der Einsatz für verfolgte Christen ist also Einsatz für Religionsfreiheit weltweit und gegen die Verhöhnung christlicher Symbole und Bräuche bei uns in Österreich.

 

Im Bezirk Amstetten engagieren sich Menschen für verfolgte Christen – zum Beispiel mit Unterschriftenpetitionen für Inhaftierte. Bringt das etwas?

 

Kuhn: Ja! Ein konkretes Beispiel: Der Christ Sylvester Zeno war elf Jahre in Pakistan eingesperrt – unschuldig wie wir wissen. Vor wenigen Wochen wurde er freigelassen. Immer wieder wurden Unterschriftenlisten, die sich für seine Begnadigung einsetzten, ins Gefängnis gebracht. Damit hatte er Aufmerksamkeit und die Wächter ließen ihn in Ruhe. Für viele Gefangene sind sie ein Zeichen der Hoffnung und sie wissen, dass sie nicht in Vergessenheit geraten. Ich danke den Menschen im Bezirk Amstetten, dass sie so eifrig für inhaftierte Christen unterschreiben. So können wir Druck auf Regierungen aufbauen. Kein Land möchte im öffentlichen Ruf stehen, Menschenrechte zu verletzen.

 

Beteiligen sich Muslime am Protest gegen Christenverfolgung?

 

Kuhn: Hierzulande beginnt etwas zu wachsen. Wir haben Muslime eingeladen dagegen zu protestieren. Die schweigende Mehrheit wendet sich – wenn auch in der Öffentlichkeit noch etwas zögerlich - gegen die Scharfmacher. Doch bis zur offenen Kritik wird für sie der Weg noch ein langer und steiniger sein, der viel Mut erfordert. CSI lässt da nicht locker.