Pilgern gilt rund um Amstetten als sehr populär

Wir baten Gerhard Reitzinger, Geistlicher Assistent bei den Pastoralen Diensten der Diözese St. Pölten, zum Gespräch. Das Thema ist auch Schwerpunkt der aktuellen Osterausgabe von Am.Glauben

 

Das Pilgern gilt als sehr populär? Worin liegen die Gründe?

 

Weil es so „einfach geht“ und weil es nicht viel braucht! Die Faszination liegt im einfachen Gehen und das wirkt im wahrsten Sinne des Wortes (kleine und große) Wunder. Wir haben es satt und wir sind „übersättigt“ mit Dingen und Informationen. Da tut es einfach gut aufzubrechen, Abstand zum Alltag zu gewinnen und neue Ziele zu finden.Auch Menschen, die der Kirche fernstehen, sind auf Pilgerwege oder bei Wallfahrten anzutreffen.

 

Wie erklären Sie sich das?

 

Wer seiner Sehnsucht nach mehr Leben nachgehen will, der muss – früher oder später – aufbrechen und zum Pilger / zur Pilgerin werden. Vielleicht haben wir es als Kirche einfach verlernt oder vergessen, dass wir alle unterwegs sind. Ein einfacher Blick in die Bibel zeigt: Es ist der erste Auftrag Jesu an seine Jünger, an die Kirche und an alle Menschen: „Geh!“ Es ist dem Menschen ins Herz gelegt, seiner Sehnsucht „nachzugehen“.

 

Was ist Ihr Zugang zum Pilgern?

 

Ich bin einige Male im Jahr alleine oder mit einer kleinen Gruppe zu Fuß unterwegs: Nach Mariazell, Maria Langegg, Maria Taferl oder letztes Jahr nach Stift Göttweig. Manchmal auch nur wenige Stunden zu einem Kreuz oder Bildstock. Ein besonderer Ort oder ein besonderes Symbol christlichen Lebens ist für mich zentral.  Außerdem darf es nicht kompliziert sein oder zur „Leistungsschau“ werden. Es ist die große Kunst, das rechte Maß und das eigene Tempo zu finden.

 

Pilgern bedeutet auch, auf dem Weg sein: Sind die Menschen unserer Zeit Suchende? Gibt es eine Sehnsucht nach Spiritualität und Gott?

 

Wir stoßen immer wieder an unsere Grenzen: Entweder weil wir mit Situationen, Ereignissen und Erfahrungen nicht zurechtkommen. Oder weil wir alles haben und dennoch unzufrieden sind. Es fällt uns dann schwer, diese Spannung ins Wort zu bringen oder mit anderen darüber zu reden. Als Pilger bin ich vom ersten Schritt an mit Leib und Seele unterwegs – auch wenn es mir die Sprache verschlagen hat. Für pilgernde Menschen bekommt die Sehnsucht nach Mehr wie von selbst eine neue Gestalt und eine neue Form. Als Christen glauben wir, dass Gott in dieser Sehnsucht  sich zeigt – oder sich verborgen hat. Wir glauben an einen liebenden und treuen Gott, der immer schon da (gewesen) ist. Ja, viele Menschen haben Sehnsucht nach dieser Sehnsucht.

 

Gibt es seitens der Diözese St. Pölten Initiativen, um das Pilgern zu unterstützen?

 

Seit vielen Jahren werden Pilgerbegleiter/innen ausgebildet, um qualitätsvolle Angebote machen zu können, z.B. die „Österlichen Pilgertage“ oder die „Herbstlichen Pilgerwanderungen“. Auf unserer Website http://pilgern.dsp.at sind viele Pilgerungen und Wallfahrten zusammengestellt. Hier finden sich auch wertvolle Hinweise auf Wallfahrtsorte, Pilgerwege und spirituelle Wege, die nicht so bekannt sind. Schließlich werden im Behelfsdienst der Diözese hilfreiche Materialien angeboten (spirituelle Bücher, Infos Pigerwegen, Pilgerausweis für den Jakobsweg).

 

Können Sie für den Raum Amstetten einen besonderen, vielleicht ein wenig verborgenen Weg empfehlen?

 

Für viele ist der Inspirationsweg in Zeillern noch immer ein (kleiner) Geheimtipp. Der Jakobsweg durch unsere Diözese bietet sehr schöne Tagesetappen. Wer ein großes Ziel sucht, dem kann ich den neuen „Martinusweg“ empfehlen, der von Szombathely (Ungarn) nach Tours (Frankreich) führt vgl. www.martinuswege.eu . Manchmal ist es schon der Weg zum Bildstock, zum Wegkreuz oder zur Kapelle in der nächsten Umgebung, der uns für kurze Zeit daran erinnert, dass wir pilgernde Menschen sind – ein Leben lang bleiben.

Dr. Gerhard Reitzinger (Bild rechts) ist Geistlicher Leiter der Pastoralen Dienste der Diözese St. Pölten. Der gebürtige Haager ist u. a. als Firmspender vielen Amstettnern bekannt.