309 Millionen Christen von Verfolgung und Diskriminierung betroffen

Der neue Weltverfolgungsindex 2021 von Open Doors zeigt die weitere Zunahme der Verfolgung von Christen weltweit. In allen TOP 50-Ländern, die in der Rangliste beschrieben werden, erreicht die Verfolgung und Diskriminierung von Christen ein sehr hohes bis extremes Ausmaß. Das betrifft 309 Millionen Christen, die Gewalt, Vertreibung, Überwachung und Diskriminierung erleiden, durch Regierungen, Gesellschaft oder die eigene Familie. Die Covid-19-Pandemie verstärkte bereits bestehende Benachteiligungen.

Das Hilfswerk für verfolgte Christen Open Doors hat die neue Rangliste der 50 Länder veröffentlicht, in denen es für Christen besonders gefährlich ist, ihren Glauben zu leben. Der Weltverfolgungsindex 2021 zeigt, dass sich die Intensität der Christenverfolgung im letzten Jahr deutlich verschärft hat.
„Erstmals in der Geschichte des Weltverfolgungsindex weisen alle 50 Länder nicht nur ein hohes, sondern ein sehr hohes oder extremes Ausmaß an Verfolgung auf – trauriger Höchstwert einer jahrelangen Entwicklung, der alle Bemühungen um Schutz und Hilfe für religiös Verfolgte kein Ende setzen konnten“, konstatiert Kurt Igler, Leiter von Open Doors Österreich.


Die Schließung sowie Zerstörung von Kirchen und ihren Einrichtungen setzt sich in mehreren Ländern fort, besonders in China. Der religiöse Nationalismus in Ländern wie Indien und der Türkei droht alles kirchliche Leben zu ersticken. Die Anzahl der aufgrund ihres Glaubens getöteten Christen hat sich von 2.983 im Vorjahr auf aktuell mindestens 4.761 erhöht. Angriffe islamistischer Gruppen auf Christen und ihre Kirchen haben insbesondere in Westafrika und der Sahelregion stark zugenommen. Nordkorea steht aktuell und seit 20 Jahren auf Rang 1 des Weltverfolgungsindex. Dahinter folgen Afghanistan, Somalia, Libyen, Pakistan, Eritrea, Jemen, Iran, Nigeria, Indien, Irak und Syrien. Der aktuelle Berichtszeitraum ist der 1. Oktober 2019 bis 30. September 2020.


Covid-19-Pandemie verschärft Verfolgung von Christen

Die Covid-19-Pandemie verstärkte die bestehende strukturelle Verwundbarkeit von Christen und wirkte wie ein Katalysator für ihre prekäre Situation. Christen in vielen Ländern Asiens und Afrikas haben bei der Vergabe von Hilfen durch ihre Regierungen massive Benachteiligung erlebt. In Indien berichten 80 Prozent der mehr als 100.000 Christen, die durch regionale Open Doors-Partner mit Nothilfe versorgt wurden, dass sie von staatlichen Lebensmittelverteilstellen weggeschickt worden waren. In einigen west- und zentralafrikanischen Ländern nutzten islamistische Gruppen die Lockdown-Maßnahmen, um ihre Aktivitäten und Angriffe gegen Christen auszuweiten, da Sicherheitskräfte nur beschränkt handlungsfähig waren. In mehreren Ländern wurde die Pandemie benutzt, um Christen zu beschuldigen, sie bzw. ihr ‚falscher‘ Glaube seien die Ursache für die Krankheit. Zudem erhöhte sich während der Lockdowns die Verwundbarkeit von christlichen Konvertiten im häuslichen Umfeld, da sie keinen Kontakt zu anderen Christen hatten und noch mehr unter Überwachung und Druck ihrer Familie standen.
 

Kirchenschließungen sowie Überwachung und massive Einschränkungen in China

 

Das Regime in China (Weltverfolgungsindex 2021: Rang 17 / 2020: Rang 23) strebt die Kontrolle und Steuerung aller Bürger mittels eines „Social Scorings“ an. Christen stehen im Fokus, weil sie Jesus anbeten, was der Doktrin der kommunistischen Partei zuwiderläuft. Diese hat den Druck auf staatlich registrierte sowie nicht-registrierte Kirchen weiter verstärkt. Kameras mit Gesichtserkennungssoftware in Gottesdiensten sind Vorschrift, Kindern und Jugendlichen ist die Teilnahme verboten. Kreuze und die biblischen Zehn Gebote müssen den Bildern von Xi Jinping und Propagandasprüchen der Partei weichen. Mindestens weitere 3.080 Kirchen und ihre Einrichtungen wurden geschlossen, attackiert oder zerstört. Seit 2013 sind dies rund 18.000. Pensionisten christlichen Glaubens wurden in mehreren Provinzen aufgefordert, Jesus abzusagen, wollten sie nicht staatliche Leistungen, also ihre Pension, verlieren. Die Version einer nach sozialistischen Kernwerten ‚berichtigten‘ Bibel ist in Auftrag. Kirchen durften nach der Covid-19-Pandemie nur wieder öffnen, wenn sie den siegreichen Kampf der Regierung gegen das Virus rühmten. Unter Xi Jinping ist das Land seit 2018 von Rang 43 auf aktuell Rang 17 im Weltverfolgungsindex gestiegen.
 

Religiöser Nationalismus als Programm zur Vertreibung der Christen

 

Unter der hindunationalistischen Regierung von Indiens (Rang 10) Premierminister Modi bleibt die Gewalt gegen Christen extrem hoch, außerdem sind sie in allen Lebensbereichen einem sehr hohen bis extremen Druck ausgesetzt. Mobs greifen immer wieder Kirchen und auch unmittelbar christliche Familien an. Die Anzahl der jährlich gemeldeten gewaltsamen Übergriffe gegen Christen hat sich seit 2014 verfünffacht. Die Regierung hat die Finanzierung von Nichtregierungsorganisationen durch ausländische Geldgeber per Gesetz massiv eingeschränkt. Da die meisten christlichen Organisationen und Kirchen mit Schulen und Krankenhäusern als NGO registriert sind und seit langem mit internationalen Kirchen und Organisationen zusammenarbeiten, können sie aufgrund fehlender Spenden ihre Tätigkeiten nicht oder nur sehr begrenzt weiterführen. Gemäß der Hindutva-Ideologie „Jeder Inder muss ein Hindu sein“ sollen in Indien nur Hindus beheimatet sein. Die öffentliche Verbreitung des christlichen Glaubens wird in acht der 28 indischen Bundesstaaten bestraft, dort ist ein Anti-Konversionsgesetz in Kraft; andere planen dessen Einführung.

 

Unter der islamistischen Agenda von Präsident Erdogan hat die Türkei (25/36) mit ihrer Militäroffensive im Nordirak genau die Christen in der Region Dohuk erneut vertrieben, die einst vor dem IS aus der Ninive-Ebene dorthin geflohen waren. Im bislang kurdisch geprägten Nordosten von Syrien siedelt die Türkei syrische Flüchtlinge an und vertreibt zusammen mit islamistischen Söldnern aus Syrien sowohl alteingesessene Christen als auch Konvertiten unter den Kurden. Laut UN-Bericht wurden dabei Häuser und Eigentum von Christen mit einem "N" (für Nasrani = Christen) gekennzeichnet, so wie 2014 bei der Vertreibung der Christen aus der Ninive-Ebene durch den IS.

 

Mehr als 50 ausländischen Christen, zumeist mit Leitungsfunktion in ihren Gemeinden, wurde in den beiden letzten Jahren die Verlängerung ihrer Aufenthaltsgenehmigung oder Visa verweigert, mit der Begründung, sie würden eine Bedrohung der nationalen Sicherheit darstellen. Die Regierung schürt mit scharfer Rhetorik Hass und Misstrauen gegen die Christen im Land.
 

Extreme Gewalt und Vertreibung in Subsahara-Afrika

 

Afrika verzeichnet die höchste Zahl ermordeter Christen. Tödliche Angriffe auf Christen haben insbesondere in Subsahara-Afrika stark zugenommen. Islamistische Gruppen kooperieren länderübergreifend, um Christen zu vertreiben und sie und ihre Kirchen zu vernichten. Zu Weihnachten 2019 veröffentlichte der IS-Ableger Islamischer Staat Westafrikanische Provinz (ISWAP) ein Video mit der Enthauptung von 10 Christen, ein elfter wurde erschossen. Im Video wird gesagt, dies sei die Rache für den Tod des IS-Anführers Abu Bakr al-Baghdadi und „eine Botschaft an die Christen in der Welt“.
In Nigeria (Weltverfolgungsindex 2021: Rang 9 / 2020: Rang 12) wurden mit 3.530 die meisten Christen getötet, der Großteil von April bis August 2020, als das Land wegen der Covid-19-Pandemie abgeriegelt war. Seit 2013 wurden Berichten von Open Doors zufolge mehr als 18.430 Christen um ihres Glaubens willen ermordet und mehr als 1.600 Kirchen zerstört. Fulani-Viehhirten und Boko Haram sowie Ableger des IS und weitere islamistische Gruppen attackieren in Nigeria und auch in Burkina Faso (32/28), Mali (28/29), Niger (54/50) und Kamerun (42/48) Dörfer von Christen, um sie zu ermorden sowie ihre Kirchen, Häuser und Ackerland zu plündern und zu zerstören. Wegen der seit Jahren zunehmenden Gewalt gegen Christen ist die Demokratische Republik Kongo (40/57) neu auf dem Weltverfolgungsindex, ebenso auch Mosambik (45/66).
 

TOP 50 mit sehr hoher und extremer Verfolgung

 

In den 50 Ländern des Weltverfolgungsindex (WVI) leben ca. 5,1 Milliarden Menschen, darunter über 760 Millionen Christen, von denen rund 309 Millionen einem sehr hohen bis extremen Maß an Verfolgung und Diskriminierung ausgesetzt sind.
Mittels einer Indexpunktzahl werden die Länder den Verfolgungsrubriken „extrem“ (81-100 Punkte), „sehr hoch“ (61-80 Punkte) und „hoch“ (41-60 Punkte) zugeordnet. Erstmals rangieren nur noch Länder mit extremer und sehr hoher Verfolgung auf dem Weltverfolgungsindex. Davon sind aktuell rund 309 Millionen Christen betroffen. In 24 weiteren Ländern leiden Christen unter einem zumindest hohen (41-60 Punkte) Maß an Verfolgung und Diskriminierung. Weltweit sind demnach mehr als 340 Millionen Christen, die oft nur eine kleine Minderheit innerhalb der Bevölkerung sind, einem hohen bis extremen Maß an Verfolgung ausgesetzt, das bedeutet, einer von acht Christen weltweit erleidet hohe bis extreme Verfolgung und Diskriminierung.

 

Kurt Igler, Leiter von Open Doors Österreich, fordert angesichts dieser Entwicklungen zu verstärkter Kooperation und Treffsicherheit im Engagement westlicher Regierungen auf: „Für Christen in zahlreichen Ländern ist es immer schwieriger, ihren Glauben zu leben und als Gemeinschaft zu überleben. Wir rufen daher westliche Regierungen dazu auf, bei allen internationalen Entwicklungsmaßnahmen besonders die gefährdeten religiösen Minderheiten zu berücksichtigen. Die Behörden der Zielländer sollen in transparenter Weise Rechenschaft über die Verteilung der Gelder und Hilfsmaßnahmen geben müssen und mit lokal verwurzelten, überparteilich respektierten religiösen Leitern und Seelsorgern kooperieren“, erklärt Igler. „Die Kirchenleiter vor Ort haben direkten Kontakt zu den hilfsbedürftigen Menschen und genießen deren Vertrauen. Sie sind am besten in der Lage, auf Versöhnung mit anderen gesellschaftlichen Gruppierungen hinzuwirken und traumatisierten und verzweifelten Menschen Mut zu machen, Aufbauarbeit für die Zukunft zu leisten.“

 

Quelle: Open Doors